Quasimodogeniti – oder: Zweifeln erlaubt!

Quasimodogeniti. So heißt er. Der erste Sonntag nach Ostern.
Nach diesem so ganz anderen Osterfest: Zuhause, mit weniger Menschen, ohne den Gang in die Kirche am Ostermorgen vielleicht. Ich hoffe, dass sie die Freude des Ostermorgens und die Freude über den Neuanfang, den uns Gott durch die Auferstehung Jesu geschenkt hat, in aller Ungewohntheit trotzdem erleben und feiern konnten.

Quasimodogeniti. So heißt er. Der erste Sonntag nach Ostern.
Oder vielleicht ein bisschen verständlicher: „Wie die Neugeborenen“. So heißt dieser Sonntag übersetzt.
Die österliche Freude, sie hört nämlich nicht schlagartig nach Ostermontag auf, sondern sie begleitet uns noch ein ganzes Stück weiter. 
An diesem Sonntag spüren wir weiter die österliche Freude über den Anfang eines neuen Lebens.
Den Anfang eines neuen Lebens, dass uns Christus durch seine Auferstehung geschenkt hat.

Quasimodogeniti – unsere katholischen Glaubensgeschwister nennen ihn auch den „weißen Sonntag“. Ich denke heute besonders an Sie, weil ich weiß: in vielen katholischen Gemeinden hätten heute Kommunionfeiern stattgefunden. Zahlreiche Mädchen und Jungen hätten zusammen mit ihren Familien und in ihren Gemeinden das erste Mal Eucharistie gefeiert und sich damit in die Gemeinschaft derer gestellt, die an diesen neuen Anfang, an das neue Leben durch die Auferstehung Jesu glauben und sich dazu bekennen.

Der Anfang eines neuen Lebens.
Wieder neu anzufangen. Ein Wunsch, den manche vielleicht gerade jetzt haben.
Manche Schülerinnen und Schüler sehnen sich nach dem „Schulanfang“. Manche Eltern vielleicht auch.
Manche sehnen sich nach einem neuen Anfang in Arbeit, Sport- und Musikvereinen.
Und wir alle sehnen uns irgendwie nach dem Neuanfang nach der Krise. Wie auch immer der für jeden und jede Einzelnen aussehen mag.

Nach Jesu Tod – da haben die Jüngerinnen und Jünger von einen Neuanfang gar nicht zu träumen gewagt. Verzweifelt und traurig haben sie sich zurückgezogen. Wie gelähmt sind sie und wissen nicht recht, was sie – jetzt, da alles vorbei scheint – mit sich anfangen sollen.

"Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich's nicht glauben.
Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch!
Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!"


Gerade noch verzweifelt und traurig – und dann: alles auf Anfang.
Nur Thomas – der zweifelt.

„Ich glaub’s nur, wenn ich’s sehe!“ Thomas kann an diesen Neuanfang, an dieses neue Leben nicht glauben. Er kann es nur begreifen, wenn er es auch greifen kann: erst mit den Händen, und dann mit dem Verstand.
So etwas Un-begreifbares wie Auferstehung – das passt da nicht hinein!

Erst als Thomas den Auferstandenen anfassen kann, da begreift er und bekennt: Mein Herr und mein Gott!

Ich selbst kann mich gut in Thomas hineinversetzen. In die Zweifel, die er hat. In den Wunsch, etwas Greifbares zu haben.
Gerade in den letzten Wochen und Tagen habe ich besonders gemerkt, wie mir die greifbare Gemeinschaft mit anderen: mit der Familie, mit Freunden und mit anderen Christinnen und Christen in unserer Gemeinde gefehlt hat.

Und durch die Geschichte von Thomas fühle ich mich ein bisschen ertappt.
Ertappt mit meinen eigenen Zweifeln.

Aber ich glaube: Zweifel, sie haben auch ihre Berechtigung.
Vielleicht gerade in Krisenzeiten.

Jesus – er nimmt den Zweifler Thomas ernst. Lässt sich von ihm anfassen. Lässt sich von ihm begreifen. Und stellt damit Thomas Glauben auf einen festen, ja vielleicht sogar auf einen festeren Grund.
Durch den Zweifel hindurch wird sein Glaube stärker. Er bewährt sich.

Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass sich auch unser Glaube durch die Zweifel hindurch bewährt und wachsen kann, damit wir immer wieder neu gewiss werden: die unsichtbare Gemeinschaft mit Christus, sie gilt uns allen. In der Auferstehung hat er uns das aufs Deutlichste gezeigt: der Anfang eines neuen Lebens beginnt. Immer wieder.

Gebet

Himmlischer Vater,
du hast Jesus Christus auferweckt; mit ihm sind wir zu einem neuen Leben berufen.
Hilf uns, dass die österliche Freude über dieses Geschenk lebendig bleibt und ausstrahlt in die Welt.

Wir bitten dich:

Für alle, die sich nach einen neuen Leben sehnen: gibt du Hoffnung auf einen neuen Morgen.
Für alle, die Zweifeln: gib du Gewissheit.
Für alle, die in Einsamkeit gefangen sind: gib du Gemeinschaft.

Heute und an allen Tagen.
Amen.