1. Sonntag nach Trinitatis oder „Geh aus, mein Herz“

Liebe Gemeinde,
in den letzten Wochen hatten meine Frau und ich mehr Zeit als sonst für uns. Da entdeckten wir das Fahrradfahren für uns neu.

Fast jeden Abend fahren wir durch die Gegend rund um Obergünzburg.
Und haben in Eschers oder südlich von Albrechts oder bei der Kirche St.Alban in Görwangs einen herrlichen Bergblick vor uns.

Wunderschöne Gärten, die gerade in diesem Frühsommer besonders eifrig herausgeputzt wurden entdecken wir auf unseren Fahrten
genauso wie Hochlandrinder, saftige Wiesen und kühlende Wälder.

Einfach schön. Mir geht es dann oft so, dass ich singe.

Leise vor mich hin. Oder, wenn ich sicher bin, dass keiner zuhört, richtig laut und kräftig.
Aber voller Freude. Da geht mein Herz auf. Eines der Lieder, die ich gerade jetzt sehr gerne singe, ist ein altes, bekanntes, vertrautes.

"Geh aus, mein Herz und suche Freud."

Es gehört einfach in diese Jahreszeit und in mindestens einen Sommergottesdienst.
So, wie ein Glas Wein auf der Terrasse, wie die Kuhglocken bei uns nebenan auf der Weide, wie die saftig grünen Wiesen.

Ein schönes Lied. Vielleicht haben Sie ihre eigenen, persönlichen Erfahrungen damit; schöne Erinnerungen.
Unser Lied beginnt mit einem Selbstgespräch. Ich vermute, dass die meisten von uns, so wie auch ich, ab und zu Selbstgespräche führen.

Wenn ich unterwegs bin, beim Autofahren, nach dem Besuch eines Kunden, alleine – dann rede ich oft mit mir selbst.

Wenn mir etwas nicht gut gelungen sind, dann sage ich zu mir: Mensch, wie konnte ich nur so blöd sein!
Oder, wenn etwas ganz gut geklappt hat, dann lobe ich mich auch mal: Super, wie ich das gemacht habe!

Geh aus, mein Herz und suche Freud! Das klingt eigentlich ein bisschen komisch!
Denn normalerweise suche ich ja nur die Dinge, die ich mal verlegt oder verloren habe.

Also bedeutet das, wenn ich das Lied singe, dass ich im Moment keine Freude habe? Das sie mir fehlt?
Vielleicht gerade jetzt, in diesen Zeiten von Abstand und Einsamkeit, von fehlender Umarmung, von Nähe.

Paul Gerhard waren solche freudlosen, trüben Stimmungen gut vertraut.
Fünf Jahre nachdem der 30jährige Krieg zu Ende war, also im Jahr 1653 hat er unser Lied geschrieben.
Als Kind, als Jugendlicher, als Mann hat er diesen Krieg erlebt.

Und immer wieder sind in seinen Gedanken die schlimmen Bilder dieses Krieges aufgetaucht.
Sein Herz ist gefüllt mit Sorgen, doch diesen überlässt Paul Gerhard nicht das Kommando.
Er fordert sein Herz auf, neuen Mut zu suchen. Und durch dieses Suchen findet es auch neuen Mut.

Auf, mein Herz, komm! Es hilft nichts, wenn du deine trüben Gedanken immer und immer wiederholst.

Sicher, ja, die Freude lässt sich nicht einfach anknipsen wie mit einem Schalter. Aber du könntest sie suchen. Und vielleicht lässt sie sich finden! Komm raus aus deiner Höhle!

Ja, liebe Gemeinde, gerade jetzt,  in diesen Corona-Zeiten können wir auch so mit unserem Herzen reden.

Wenn die Nachrichten aus dem Radio, dem Fernsehen oder der Zeitung oder vielleicht auch die ganz persönlichen Erfahrungen 
uns mutlos und das Leben schwer machen.

Nicht nach unten ziehen lassen, nicht aufgeben. Sondern sich auf die Suche machen.
Auf die Suche nach aufbauenden, ermutigenden Worten.

Nach Bildern, die unserer Seele gut tun.

Wenn wir sie nicht gleich zur Hand haben,wir können sie finden, denn wir haben einen reichen Schatz davon in unserer Bibel, in den Psalmen, in den Liedern und Texten in unserm Gesangbuch. Und wir können sie auf jeden Fall draußen finden, so Paul Gerhard in seinem Lied. Draußen, unterm freien Himmel.

Wenn Paul Gerhard sein Haus verlässt, dann kann er überall die Spuren des Krieges sehen:
verbrannte Bauernhäuser, eine beschädigte Kirche,einen überquellenden Friedhof.

Aber er kann auch das erleben:
Vögel, die zwitschern, Bäume im satten Grün Gärten in vielen bunten Farben.

Das Leben regt und entfaltet sich.Trotz allem, was Menschen zerstört haben! Trotz Corona.

"Schau an der schönen Gärten Zier."

Vielleicht haben sie jetzt aus ihrem eigenen Garten den wunderschönen Rosenstrauch vor Augen.
Oder ich denke an die Mohnblumen, die ich diese Woche an einigen Feldrändern gesehen habe. Ich habe den Duft vom frisch gemähten Gras in der Nase.

Ja, liebe Gemeinde, wie wäre es, wenn wir, gerade in diesen Zeiten uns auf die Suche machen nach Bildern, nach Worten,die unsere Seele gut tun. Und wenn wir sie dann gefunden haben, dann können wir doch gar nicht anders, als einzustimmen in

"Geh aus, mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben."

Diese Bilder, die sie jetzt vielleicht vor ihrem inneren Auge haben, die Gerüche des Sommers, die jetzt in ihrer Nase kitzeln,
die können etwas schönes und helles in unser Herz hineinbringen.

Ein Spaziergang rund um Obergünzburg, bald wieder ein Morgenschwimmen im Hagge, der Blick auf die Allgäuer Berge, wie gut,
wie wohltuend kann das sein!
Und wie oft ist es dann so, dass die schweren Gedanken leichter werden. Da hat man dann das Gefühl, sie fliegen plötzlich wie Vögel davon.

Wie sagt Jesus: "Seht die Vögel unter dem Himmel an oder die Lilien auf dem Felde. Gott versorgt sie. Sollte er nicht auch für euch sorgen?"

Wenn Sie draußen in der Natur sind, dann können sie mit dieser Sorglosigkeit in Berührung kommen.

Vergessen wir nicht –
Wir sind ein Teil dieser gewaltigen Schöpfung, die Gott gemacht hat. Wir sind eingewoben in eine große Gemeinschaft von Leben.
Wir sind eingewoben in ein Leben, dass Gott so liebevoll und kunstvoll geschaffen hat.
Wir sind eingewoben in ein Leben durch dessen Zellen und Blätter und Adern seine liebevolle, väterliche Kraft fließt.

Und doch gibt es Situationen, wo wir dies alles nicht spüren. Sondern eher das Gegenteil.

Wo wir uns einsam fühlen, verlassen, ohne Hoffnung, ohne Zukunft. Wo ich einfach nicht die Kraft habe, aufbauende und mir guttuende
Bilder und Dinge zu suchen und zu finden.

Gottseidank gibt es Menschen und Einrichtungen, die einem helfen können. In meinem persönlichen Umfeld, ganz anonym mit einem Anruf bei der Telefonseelsorge können mir andere bei der Suche helfen.

Mir persönlich sind solche Erfahrungen nicht fremd. Aber wenn wir dann „draußen“ sind aus einer Krise und zurückblicken, dann dürfen wir erkennen, was uns im Psalm 139 verheißen ist: Von allen Seiten umgibst du mich, Gott, und hältst deine Hand über mir.

Ja, da war und ist einer, der bei mir ist, der mich trägt, der mit mir weint, der mich nicht alleine lässt. Mit dieser Gewissheit, bitte ich ihr Herz, rufe ich ihm zu, fordere ich es auf:

"Geh aus, mein Herz und suche Freud! Jetzt. Heute. Und alle Tage unseres Lebens."

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
(Autor: Stefan Sörgel)
 

Fürbittengebet

Lieber Gott, ich freue mich auf den Tag. 
Ich lebe gern. Das will ich dir sagen.

So geht es heute nicht allen.
Darum gib mir strahlende Augen, hilfreiche Hände, aufmerksame Ohren,
wärmende Worte, behutsames Schweigen, einen Blick für das, was zwischen den Zeilen steht, und eine ansteckende Fröhlichkeit.

Scheine mir ein klares Gedächtnis für mein Wohlgefühl heute,
damit ich mich erinnere, wenn ich selbst mal elend bin. Zwischen Licht und Dunkel wandern wir alle zu dir hin.

Guten Morgen, mein Gott. Ich lebe gern. Danke für diesen Tag. Amen.
(Quelle: Evangelisches Gesangbuch Bayern)